Wenn Dornbusch spielt, dann tut er dies nicht unbedingt nach Schema F. Seine Maximen lauten: experimentieren, ausprobieren, tunlichst Wiederholungen vermeiden. „Da bin ich viel zu untheoretisch. Ich schreibe lieber aus Stimmungen heraus.“ Weniger Noten. Einfach vom Gefühl und der Tagesform treiben lassen. So kommt es vor, dass ein und dasselbe Stück regelmäßig anders
klingt, in Tonart, Rhythmus und harmonischen Variationen. Dafür braucht es offene, flexible Gleichgesinnte, die noch dazu ihr Instrument exzellent beherrschen. Deshalb dauerte es wesentlich länger als bloß einige Telefonate, um „Projektor“ zusammenzustellen, jenes junge Forscher-Quintett mit der Pianistin Johanna Summer, dem Gitarristen Johannes Mann, dem Bassisten Roger Kintopf und dem Drummer Philip Dornbusch (der kurioserweise nicht verwandt mit dem Mann am Tenorsaxofon ist; der winzige Unterschied liegt beim „l“ im Vornamen), das nun mit „Reflex“ (Double Moon/inakustik) ein Werk veröffentlicht, das auch für die erfolgserprobte Jazzthing Next Generation ein neues Kapitel aufschlägt. Die aktuelle Folge ist tatsächlich ein Album wie ein Reflex, das erste vielleicht, das nicht mit fertigen Konzepten an den Start geht, sondern wie ein Rohling anmutet, den sich jeder nach Gutdünken zurechtbiegen, schleifen oder klopfen kann. „Chef“ Dornbusch komponiert selbstredend mit Noten, schreibt bestimmte Parts ziemlich exakt auf, um den Grundgedanken des jeweiligen Stücks zu verfestigen, lässt aber mindestens genauso viel offen. Der Saxofonist spricht in diesem Zusammenhang häufig vom „Charakter der Musik“ oder von der „Atmosphäre“, ermuntert seine Mitstreiter zum völlig freien Spiel wie zu unvorhersehbaren Solos. Dornbusch erweist sich damit als der etwas andere Architekt. „Ich zeichne den Plan für ein Haus, den Grundriss, den Kamin und bestimmte Zimmer. Den Rest dürfen die anderen mit all ihrer Kreativität hinzufügen.“ Die musikalische Renaissance des Bauhaus-Stils gewissermaßen – und hoffentlich ab März auch wieder live zu bestaunen. Man würde sonst wirklich etwas verpassen...